Heftige Luftblasen durchbrachen die Oberfläche des Moorlochs. Eine graue Hand griff nach der Wurzel eines verkrüppelten Baumes. Eine zweite griff ins Gras am Rande. Langsam zog sich die Gestalt in die Höhe. Stück für Stück bis sich, gierig nach Luft schnappend, der Oberkörper über den Rand schob. Mit letzter Kraft hob das Wesen die Beine aus dem Morast, drehte sich auf den Rücken und blieb in der Abendsonne liegen.
Mit offenen Augen spürte die grobschlächtige Gestalt mit den kantigen Gesichtszügen dem Leben in seinem Körper nach. Vorsichtig bewegte es seine Arme und Beine. Der linke Arm schien gebrochen. Doch mit zufriedener Genugtuung stellte der Kleinwüchsige fest, dass seine Beine in Ordnung waren. Die heftigsten Schmerzen verursachte ein tiefer Schnitt über der Brust. Sein Kettenhemd war zerfetzt. Aber die Wunde schien nicht mehr zu bluten.
Dann verließen ihn seine Kräfte. Er schlief ruhig atmend ein. Die Sonne trocknete den Morast auf seinem Körper. Die Käfer und Insekten machten sich über ihn her.
Zwei Stunden nach Sonnenuntergang wachte er wieder auf. Sein Körper wollte ihm nun besser gehorchen. Er fand ganz in der Nähe ein verendetes Kaninchen. Ein Feuer wollte er nicht riskieren. Also brach er das Tier auf und aß das Fleisch roh. Die Nahrung gab ihm Kraft. Er begann nachzudenken. Was war passiert? Langsam kam auch die Erinnerung zurück.
„Vor zwei Tagen… Nein das musste länger her sein. Wir hatten das Lager und die Silbermine in den Wetterbergen verlassen. Eigentlich viel zu früh. Wir waren fünfzehn, gute, starke und zähe Kämpfer. Drei Tage sollten wir unterwegs sein und uns dann bei Nacht hier an den Mückenwasser Mooren mit den Trollen treffen, um wieder diese grässlichen faulen fetten Hobbits in Empfang zu nehmen. Sie lässt sie für uns in den Minen arbeiten. Wir schieben nur Wachdienst. Eine leichte Arbeit und Spaß macht sie obendrein noch.
Doch dieser verfluchte Graesch, ein Schinder, ein Antreiber. Er meinte, wir müssten schneller wieder zurück sein. Er peitschte uns vorwärts. Und so kamen wir schon früher an. An einem Morgen im strahlenden Sonnenschein. Die Trolle steckten in ihrer Höhle. Sie öffneten uns. Wir holten drei Hobbits heraus. Gefesselt und ohne Bewusstsein lud ich mir eine weibliche auf. Die Trolle hatten sie arg geprügelt. Hoffentlich taugte sie noch für die Arbeit.
Dann war ich auch schon wieder im Freien. Rasch drängte Graesch zum Aufbruch. Er gönnte einem auch kein bisschen Ruhe.
Wir waren noch nicht lange gelaufen, als plötzlich das Unheil über uns hereinbrach. Drei von uns fielen noch bevor wir überhaupt merkten, dass wir angegriffen wurden. Zwei starben nachdem wir die Halblinge abgelegt hatten. Und dann waren auch schon ihre Nahkämpfer da. Zwei Zwerge, unsere Erzfeinde waren schnell heran. Ein gewaltiger Kämpfer und eine dunländische Clankriegerin setzten nach. Während uns die anderen weiter unter Beschuss nahmen, eine verhasste Elbin hätte beinahe einen der Hobbits erschossen, begannen wir uns endlich ernsthaft zu verteidigen.
Ich kämpfte verbissen gegen einen der kleinen stinkenden Höhlenbewohner. Ein Jubelschrei kam mir über die Lippen, als ich den Zwerg niedergestreckt hatte. Auch die anderen Kämpfer mussten gewaltige Wunden hinnehmen. Das Blatt schien sich zu unseren Gunsten zu wenden.
Doch dann sah ich ihn. Einen Dunadan, der in unsere Richtung blickte. Er murmelte unverständliche Worte, riss die Hand nach vorne und schickte das Feuer über uns. Sie hatten einen Zauberer in ihrer Mitte.
Nun ging alles sehr schnell. In kürzester Zeit hatten sie uns niedergestreckt. Plötzlich traf auch mich ein mächtiger Streich der mein Kettenhemd zerriss und eine klaffende blutende Wunde auf meiner Brust hinterließ. Ich verlor das Bewusstsein.
Als ich wieder zu mir kam, hatten sie Graesch in ihrer Gewalt. Sie stellten ihm Fragen. Anfangs hatte er sich noch gewehrt. Aber dann antwortete er bereitwillig. Es war der Zauberer der mit ihm sprach.
Später fingen sie an uns in das Moorloch zu werfen. Ich stellte mich tot. Einer der Zwerge warf mich über seine Schulter und ließ mich dann in die ewige Dunkelheit fallen. Ich krallte mich sofort an einer Wurzel fest. Erst als ich es im Moorwasser nicht mehr aushielt, zog ich mich heraus.“
Als der Mond aufging fühlte er sich kräftig genug. Er stand auf, fand auf seinem Weg noch einen Krummsäbel und einen Kurzbogen und ging dann stetig nach Osten auf die Wetterberge zu. Getrieben nur von einem Gedanken: Sie musste gewarnt werden. Diese Abenteurer würden kommen. Darauf musste sie vorbereitet sein.
Langsam und mühevoll setzte er einen Fuß vor den anderen dem Sonnenaufgang entgegen…