…Mir ist ja so kalt. Seit zwei Tagen sind wir nun schon auf diesem Pass. Der Winter steht vor der Tür. Und niemand weiß genau, wie lange wir zur Überquerung des Nebelgebirges noch brauchen. Die Sonne ist schon vor Stunden untergegangen. Endlich haben wir wieder eine der Höhlen
gefunden, die den Reisenden als Unterkunft gelten sollen. Den Valar sei Dank, liegt hier genug Holz aufgestapelt um die ganze Nacht ein Feuer zu unterhalten. Dann ist es wenigstens warm.

Während Yusuf sich ums Feuer und seine Suppe aus irgendwelchen Wurzeln kümmert, kauer ich, in meine Decke gehüllt, an der Höhlenwand und versuche die Kälte und die Schmerzen aus meinen Knochen zu vertreiben. Den ganzen Tag auf den Beinen und nichts weiter im Magen, als ein
bisschen Trockenfleisch und Dörrobst. Das hält doch kein Hobbit aus. Kalidor und Tarthalion verhängen den Eingang mit der Zeltplane, die der Söldner, der immer gut vorbereitet ist, in seinem Gepäck hat. Dann breitet sich langsam ein bisschen Wärme in unserer Unterkunft aus.

Geredet wird nicht viel. Gegessen noch viel weniger. Unsere Vorräte schwinden schnell. Keiner weiß wie lange sie noch halten müssen. Ich kaue lustlos auf einem Stück Fleisch und träume mich in mein Zuhause zurück.

„Gib mir deinen Becher, Broca“, fordert mich Ogtaba auf. Ich brauche einen Augenblick um wieder in die Realität zurück zu finden. „Ich bringe dir etwas von Yusufs Gebräu.“ „Danke“, murmelte ich geistesabwesend. Kurz darauf halte ich den warmen Becher zwischen meinen Händen. Ein
angenehmer Geruch von mir unbekannten Kräutern steigt in meine Nase. Langsam nehme ich einen Schluck, während sich Ogtaba neben mir nieder lässt. Das Gebräu weckt tatsächlich die Lebensgeister. Es erfüllt meinen Körper mit Wärme und bringt mir etwas von meiner Kraft und meinem Optimismus zurück. Ogtaba scheint sich in seine Welt geflüchtet zu haben. Yusuf spricht wie immer in großen Worten über den warmen Süden und das Meer. Der pragmatische Kalidor denkt laut unseren Weg voraus. Er findet in Sibroc und Skutilla, der uns anfangs noch mit frischem Fleisch versorgen konnte, aufmerksame Zuhörer. Tarthalion sitzt gedankenverloren am Feuer, während sich die Dunländer Dunstan und Beren, die wir über den Pass bringen sollen, von den anderen abgesondert unter ihre Decken verkrochen haben. Jeder wird auf seine Art mit den Strapazen fertig. Dennoch tut es gut, in diesen schweren Stunden nicht allein zu sein. Sie sind mir alle in den letzten Jahren ans Herz gewachsen. Hoffentlich schneit es nicht so bald, schießt es mir plötzlich in den Kopf. Das würde den Weg nur noch schwerer machen.

Während ich einen Schluck aus meinem Becher trinke, frage ich mich, nicht zum ersten Mal, wie wir in diese Situation geraten konnten.

Es ist noch keine Woche her, als wir noch in Bar-en-Tinnen saßen und das Leben genossen, nachdem wir den dunklen Kult der Edain in Arthedur vernichtet und Celgor Schwarzfaust, einen schwarzen Druiden, besiegt hatten. Am Morgen nach unserer Siegesfeier erwachten wir in fremden
Betten in einem anderen Gasthaus, in einer anderen Stadt, in einem anderen Land, in einer anderen Zeit unter Belagerung von zweihundert Orks. Es hatte uns in den Brandkessel nach Leet in Rhudaur in die Westausläüfer des Nebelgebirges in den Herbst des Jahres 1350 des dritten Zeitalters verschlagen. Niemand wußte wie und warum wir hier her gekommen waren, mitten in die politischen Unruhen im Kampf um dieses Land, den die Dunländer und Hügelmenschen scheinbar gegen die Dunedain gewonnen hatten, allerdings ohne wirklich zu wissen, wen sie sich mit den Angmarim, den dunklen Verbündeten aus dem Norden, ins Land geholt hatten. Manchmal kann es eine Wohltat sein einen gebildeten Zauberer unter seinen Gefährten zu haben.

Schon bald stellte sich heraus, dass die Orks, die die Stadt belagerten, hinter vier Dunländern her waren, die sich gerade noch hinter die Palisaden retten konnten. Dunstan, ein älterer Clansmann im Dienste des Königs Angus versuchte dessen Sohn Beren über das Nebelgebirge zu bringen. Er wurde begleitet von dem Clankrieger Godfrey, der kurz nach der Ankunft in Leet seinen Verletzungen erlag und der Clankämpferin Nile. Wenn wir geahnt hätten, worauf wir uns einlassen würden, wenn wir die Dunländer übers Gebirge bringen, hätten wir den lukrativen Auftrag bestimmt abgelehnt. Aber dafür war es dann irgendwann zu spät…