Sie saß am Rande der Mückenwasser Moore auf einem alten überwachsenen Baumstamm. Die uralte Frau trug einfache Kleidung aus grober Wolle und Leinen. Einzig der Mantel, den sie trug um sich vor dem Nieselregen zu schützen, war aus Leder, nicht mehr als ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Lederarten. Ihr einstmals schwarzes Haar war mit den Jahren grau geworden. Es fiel ihr in langen Strähnen bis auf die gebeugten Schultern. Ein oft genutzter Stab, kunstvoll verziert in Form einer Schlange, lehnte neben ihr. Sie trug zwei Ledertaschen an ihren Seiten. Die Alte hatte weit mehr als sechzig Sommer gesehen. Sie war, wenn sie sich ganz aufrichtete, gerade einmal einen Meter groß und barfuß. Die Alte war eine Hobbit und schien auf jemanden zu warten.

Bald tauchte ein Eichhörnchen in ihrer Nähe auf. Es kletterte rasch an ihr empor, ließ sich auf der warmen runzeligen Hand nieder und knackte die ihr angebotene Nuss. Die alte streichelte das Tier. Nachdem es zu ende gefressen hatte, schien die Hobbitfrau mit dem Eichhörnchen zu sprechen. Das kleine Tier palaverte munter drauflos:

„Sie kamen mit den Schafen aus Schlucht. Es waren sechs Fremde, die die Hirtin mitbrachte. Zwei Elben, ein Zwerg, ein Hobbit und zwei Menschen suchten nach einem Weg ins Moor. Dabei stieß der Zwerg, ich glaube die anderen nannten ihr Borgin, auf den Muhlipp der im kleinen Teich am Rand lebt. Ein heftiger Kampf entbrannte. Die anderen kamen ihm zur Hilfe. Der größere der beiden Menschen warf Feuer aus seiner Hand auf den Muhlipp. Er heißt Sibroc. Nachdem sie die untote Seele vernichtet hatten, nahmen sie deinen Weg in das Moor.“

Nun hatte sich ein Fuchs zu der Alten gesellt. Er sprang auf ihren Schoß und ließ sich streicheln. Auch ihm gab sie etwas zu essen. Das Eichhörnchen knabberte an weiteren Nüssen, die die Hobbitfrau auf den Boden geworfen hatte. Dann fing der Fuchs an zu erzählen:

„Ich folgte der Gruppe ins Moor hinein. Schon bald litten sie unter den Mücken. Doch die Elbin war klug. Sie hatte eine stinkende Paste dabei mit der sie sich einrieb. Die anderen taten es ihr nach. Sie nannten ihre Wohltäterin Laedah. Sie kamen gut vorwärts, obwohl sich das Wetter verschlechterte. Dann fiel der Regen. Sie hatten eine unruhige Nacht. Die Wildhunde machten ihnen Ärger. Ich mag sie nicht. Darum habe ich mich verkrochen. Aber ihnen war nichts passiert. Am nächsten Tag überquerten sie den Fluss. Der Zwerg wäre beinahe einer Schlange zum Opfer gefallen. Und dann in der nächsten Nacht kam er, der uralte Geist eines Hobbits, der schon so viele wieder aus dem Moor getrieben hatte. Aber sie hatten keine Angst. Der Hobbit, der Wache hielt, er heißt Broca, sprach mit dem Geist. Er nannte ihn Hildifons. Dann schlüpfte der Geist in Broca. Der fing dann an alles zu essen, was er in die Finger bekam. Bis die anderen erwachten. Schließlich ließ der Geist Hildifons wieder von Broca ab. Er sagte, er wolle sie führen zu dem Baum auf dem die Irrwichte leben. Dann könnten sie das Buch nehmen. Ein sehr wichtiges Buch, für Hobbits. Er nannte es „Das Heiligtum der Köche“. Ich folgte ihnen am nächsten Tag noch bis in die Nähe des Baumes. Dann verschwand ich wieder, denn ich mochte die Irrwichte nicht. Sie haben mich oft schon an den Rand des Todes gebracht.“

Der Fuchs legte sich zu ihren Füßen, rollte sich zusammen und schlief ganz ruhig. Eine Eule flog heran und setzte sich auf die rechte Hand der Alten. Die Hobbitfrau fütterte auch sie, bevor sie anfing zu erzählen:

„Ich lebe in der Nähe des Baumes. Die Irrwichte lassen mich in Ruhe. Sie wissen, das ich klüger bin als sie. Sie fürchten meine Schnelligkeit und meinen Schnabel. An diesem Morgen tauchten die Fremden in der Nähe auf. Ich kam gerade von der nächtlichen Jagd zurück. Und obwohl mir fast die Augen zufielen, sah ich wie der Dunadan Sibroc mit den Irrwichte redete. Er schaffte es tatsächlich sie zu überreden, sich auf einen Tausch einzulassen: sein Buch gegen das Heiligtum der Köche. Sibroc legte sein Buch zwischen die Wurzeln des Baumes und nahm das andere heraus. Broca nahm es sofort aus dem Lederschutz und erkannte es als das gesuchte Buch. Ich folgte der Gruppe noch eine kleine Weile. Sibroc war plötzlich verschwunden. Der Geist Hildifons verabschiedete sich von Broca und dankte ihm und den anderen. Jetzt konnte er endlich Ruhe und Frieden finden.“

Nun rührte sich der Fuchs wieder, während die Eule eingeschlafen war. Er erzählte:

„Sie wollten erst nach dem Zauberer suchen. Aber sie wusste nicht wo. Also beschlossen sie das Moor so schnell wie möglich zu verlassen. Sibroc würde dann schon wieder zu ihnen stoßen. In der Nacht hörten sie wieder die Wildhunde, ohne zu wissen, das du sie diesmal ausgesandt hattest um andere Beute zu machen. Am nächsten Morgen trafen sie wieder auf den Zauberer. Am Rand des Moores fanden sie dann wieder die Spuren der Hunde und die Reste ihrer orkischen Beute. Sie gingen weiter zurück nach Schlucht.“

Das Eichhörnchen im Gras merkte auf. „Ja, ich weiß“ sagte die alte Hobbitfrau. „Wir werden beobachtet. Es ist der Bruder der Hirtin. Er wird zurück laufen ins Dorf und erzählen, was er gesehen hat. Dann werden sie kommen und endlich nach der Hirtin suchen. Hoffentlich kommen sie nicht zu spät.“

Dann greift die Alte nach ihrem Stab, stützt sich auf ihn und richtet sich etwas mühsam auf. Sie schaut dem flüchtenden Jungen lange nach. Später verschwindet sie, gefolgt von Fuchs, Eichhörnchen und Eule, in den Mückenwasser Mooren.