Dieser Tag im Mai des Jahres 3014 DZ versprach ein schöner Frühlingstag zu werden. Die Freunde wollten den Tag auf Haus Ranoran verbringen. Hoher Besuch hatte sich angekündigt. Surion, Gesandter des Fürsten Imrahil, wollte sie sprechen.
Die Mittagszeit war schon verflossen als ein mittelgroßer schlanker Mann in den Vierzigern von einem Diener in den kleinen Speisesaal geführt wurde. Sein langes dunkelbraunes Haar fiel ihm offen bis weit über die Schulter. Der gepflegte Vollbart gab seinen zarten Gesichtszügen etwas männliches. Sein ganzes Auftreten strahlte Würde und Autorität aus. Er war es gewohnt, das man ihm zuhörte. Begleitet wurde der Mann von zwei jungen Männern, die seinem Schutz dienen sollten und sich stets wachsam im Hintergrund hielten.
Nahar, Menelcars Vater, ging ihm freudig, aber respektvoll entgegen. Die beiden kannten sich offensichtlich schon länger. Sie begrüßten sich per Handschlag. Nahar brachte den Gast an den Tisch. „Mein Sohn, meine Freunde, ich möchte euch den Herrn Surion vorstellen, Gesandter unseres geliebten Fürsten. Er ist gekommen, uns um Hilfe zu bitten.“ Als die Freunde sich zur Begrüßung erheben wollen, vernehmen sie die kräftige dunkle wohlklingende Stimme des Gesandten: „Meine Herren, bitte keine Umstände. Behalten sie Platz. Ich grüße sie.“ Dann nahm er an der Seite Nahars Platz. Seine beiden Begleiter setzten sich zwischen die Freunde.
Surion blickte sich in aller Ruhe um, während er den Wein genoss, den ihm Nahar eingeschenkt hatte. Er musterte die Gefährten und schien zufrieden zu sein, als er seine Stimme erhob:
„Die Piraten werden in unseren Gewässern eine immer größere Plage. Immer weniger Schiffe kommen unbeschadet durch. Sowohl hier in Dol Amroth wie auch in Pelargir wollen die Händler, das ihre Fürsten etwas unternehmen. Aber, wie ihr wahrscheinlich wisst, die Lage im Süden ist extrem angespannt. Wir vermuten schon lange, das Harad und Umbar einen Krieg gegen Gondor planen. Wir ahnen allerdings auch, das etwas weitaus böseres die Fänden in diesem grausamen Spiel zieht. Die Piratenüberfälle sollen Gondor provozieren. Dol Amroth, Fürst Imrahil, will diese teure Provokation nicht länger hinnehmen. Deshalb bin ich hier. Offiziell können wir im Augenblick nichts tun. Uns sind die Hände gebunden. Euch allerdings nicht. Ihr habt der Stadt schon oft geholfen, seit auch dafür belohnt worden. Auch Anerkennung und Respekt habt ihr erlangt. Nun fragt euch Imrahil, ob ihr bereit seit den gefährlichsten der Piraten, den Lachenden Freibeuter, aufzuspüren, sein Versteck aus zu heben und ihm seinen Kopf zu bringen, ohne das der Fürst damit in Verbindung gebracht werden kann.“
Die Worte des Gesandten lagen schwer im Raum. Den Gefährten war die politische Dimension dieser fürstlichen Bitte durchaus klar. Nach einigen Augenblicken ergriff Menelcar das Wort:
„Das Vertrauen unseres Fürsten ehrt uns sehr. Wir fühlen uns wohl in dieser Stadt. Doch auch wir riskieren viel, wenn wir tun, worum Imrahil bittet. Unser Leben ist uns lieb und teuer. Was können wir aus des Fürsten Hand erwarten?“
Surion lächelt als er antwortet: „Für den Einsatz eines eurer Schiffe und eures Lebens sollt ihr aus der Hand unseres Fürsten jeder 50 Goldstücke und das Bürgerrecht Dol Amroths erhalten. Die Händler, wie ich gerade von eurem Vater erfahren habe, legen nochmals 50 Goldstücke dazu. Ihr Menelcar, ein Bürger dieser Stadt, erhaltet für eure Familie und euer junges Handelshaus eine weitere, die dritte, Schiffslizenz. Damit sollte euer Risiko ausreichend vergolten sein. Nun, was sagt ihr? Kann ich unserem Fürsten eure Zusage bringen?“
Das Angebot war wirklich großzügig. Dennoch antwortete Menelcar: „Gebt uns etwas Zeit. Genießt die Annehmlichkeiten meines Vaters Haus, während wir uns zur Beratung zurück ziehen.“
Surion nickte nur. Er ließ sich Wein nach schenken und war schon bald in ein Gespräch mit Nahar vertieft. Menelcar bat einen der Diener Hallatan den Kapitän der Gilwen zu holen. Die Gefährten gingen hinaus auf den Wandelgang, wo ihnen eine frische Brise vom Meer entgegen wehte. Diener brachten Stühle, Wein und Becher herbei. Nach kurzer Zeit kam auch Hallatan, der nach der letzten Reise, auf der auch die Gilwen überfallen wurde, Nahar Bericht erstattet hatte und die Nacht in einem der Gästezimmer verbrachte.

Schon bald waren sich die Freunde einig. Die Belohnung war in Ordnung. Hallatan hielt sein Schiff für die richtige Wahl. Wie man den Piraten heraus locken konnte war noch unklar. Aber Hallatan sollte die Gilwen reisefertig machen. Zusätzlich sollte er den Bug verstärken lassen, drei Fässer Lampenöl besorgen und genügend Holz für den Bau eines kleinen Katapults mitnehmen. Der Kapitän versprach, das Schiff sei mit der ersten Flut am nächsten Morgen bereit den Hafen zu verlassen. Nachdem er gegangen war, kehrten die Freunde zurück in den kleinen Speisesaal.
Surion blickte der Gruppe neugierig entgegen. Menelcar sprach: „Wir freuen uns unserem Fürsten dienen zu können. Wir werden seinen Wünschen gerne entsprechen, und erfreuen uns an Imrahils Großzügigkeit. Morgen früh brechen wir auf. Übermittelt bitte unserem Herrn die besten Grüße. Doch nun entschuldigt uns Surion, Vater. Es gibt noch viel zu tun.“
Surion schien zufrieden: „Danke, im Namen des Fürsten und der Stadt. Ich wünsche euch eine erfolgreiche Fahrt.“ Dann wendete sich der Gesandte wieder Nahar und dem Wein zu.
Die Freunde ritten in die Stadt um gemeinsam die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Nacht verbrachten sie in der Krakenwacht. Im Morgengrauen mit der ersten Flut lief die Gilwen aus. Einen Plan hatten die Freunde noch nicht. Doch sie wollten erst einmal in die Bucht von Belfalas reisen, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Das einzige, was ihnen Surion, über den lachenden Freibeuter sagen konnte, war, das er in den Roten Klippen der Küste Harads heimisch sein sollte. In dem kleinen Fischerei- und Handelshafen Sook Oda an der Mündung des Ethir Harnen, des Grenzflusses zwischen Südgondor und Harad, sollten mehr Informationen zu bekommen sein. Dann würde ihr Plan schon Gestalt annehmen…

…Der frische Nordwind trieb die Gilwen auf das Kap von Belfalas zu. Die Freunde hatten sich in der Passagierkabine und der Unterkunft des Ersten Maats auf dem Achterdeck eingerichtet. Sie genossen die Reise bei angenehmen Wetter auf dem schönen Frachtschiff. Unter Kapitän Hallatan fuhren fünfundzwanzig erfahrene Matrosen, Männer die die Gruppe sicherlich gut gebrauchen konnte, mit. Hallatans Sohn Halmir, seine junge Frau Dorien, der erste Maat Ragnir Einauge und der Heiler Vandor vervollständigten die Mannschaft.
Die Gefährten schmiedeten Pläne wie sie den lachenden Freibeuter am besten auffinden konnten. Doch war es ihnen unmöglich sich auf eine Strategie zu einigen. Also fuhren sie weiter um das Kap herum in die Bucht von Belfalas in die der große Fluss Anduin mündete. Die Insel Tolfalas, nicht mehr als ein großer Felsbrocken, lag in der Mitte der Bucht. Die Gilwen nahm Kurs auf die Ostseite der Insel. Die Gruppe suchte die raue Küstenlinie nach einem Ort ab, an dem es möglich war, den lachenden Freibeuter in einen Hinterhalt zu locken, zum Beispiel mit einem havarierten Handelsschiff als lohnende Beute. Vergebens. Die Gilwen fuhr weiter Richtung Norden um die Insel herum. Tolfalas war heute mehr oder weniger neutrales Gebiet. Weder Harad noch Gondor konnten die Insel halten. An der Westküste kamen sie an dem kleinen Fischerdorf Gilros Bay vorbei. Das Dorf war zu klein und zu leicht vom Meer einsehbar um den Plänen der Gruppe zu genügen.
Die Gilwen segelte stetig weiter südlich an der Küste entlang bis sie auf einen langen Ffjord ähnlichen natürlichen Einschnitt traf. Der Meeresarm war gut schiffbar. Selbst eine umbarische Galeere, ein solches Schiff sollte der lächelnde Freibeuter nutzen, konnte darin manövrieren. Das Schiff der Freunde fuhr in den Fjord hinein. Kalidor entdeckte in den steil aufragenden Klippen gut getarnte in den Fels gehauene Beobachtungsposten. Am Ende des Meeresarms lag eine ehemalige Festungsstadt, die heute nicht mehr war als eine kleiner Fischereihafen. Es gab auch einen kleinen Handelsposten. Die Menschen, Haradrim, Gondorianer und Corsaren, sahen voller Misstrauen der nahenden Schiff entgegen.
Als die Gilwen am Pier festgemacht hatte, begrüßte sie ein älterer Haradrim: „Mein Name ist Falahd. Willkommen in Caras Tolfalas.“ Der Mann wirkte nervös, vielleicht sogar ängstlich: „Was führt euch in unsere abgelegene Stadt?“
„Wir würden gerne unsere Wasservorräte ergänzen“, erwiderte ein gut gelaunter Yusuf. „So lange möchten meine Freunde und ich gern eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen.“
Falahd rief einen der Hafenarbeiter herbei und gab ihm die Anweisung der Besatzung zu helfen. Währenddessen führte er die Gefährten in Curudors Handelshaus, eine Mischung aus Schenke und Kramladen. Curudor war ein Gondorianer in den Vierzigern, ein kräftiger Mann und ein ehemaliger Soldat, wie sich herausstellen sollte.
„Seid mir gegrüßt Fremde. Was führt euch nach Caras?“ begrüßte er die Gruppe.
„Wir ergänzen gerade unsere Wasservorräte“, nahm Yusuf das Gespräch auf. „Wir könnten auch noch Lebensmittel und Segeltuch gebrauchen“, setzte er hinzu. „Und wie wäre es mit einem kräftigen Schluck. Lasst uns gemeinsam trinken“, lächelt der Corsar den älteren Mann an.
Curudor holte eine Flasche und mehrere Becher hinter der Theke hervor: „Nehmt Platz und seit meine Gäste. Was ihr braucht, wird euch meine Frau zusammenstellen.“
„Das muss einst eine schöne wehrhafte Stadt gewesen sein“ sagte Yusuf nach dem ersten Becher dieses wunderbaren Selbstgebrannten.
„Ihr habt Recht“ erwiderte Curudor, „Caras Tolfalas war eine gondorianische Festungsstadt und ein Kriegshafen. Seit die Stadt vor vielen Jahren aufgegeben wurde, lassen wir die Festungsanlagen verfallen und führen ein einfaches ruhiges Leben im Einklang mit der rauen Natur dieses Felsens. Ihr werdet viele ehemalige Soldaten von beiden Seiten hier finden.“ „Fremde sehen wir hier gar nicht gern“ ergänzte der Händler. Falahd folgte dem Gespräch nervös.
„Wir sind auf der Suche nach ein paar sicheren Häfen“, meinte Yusuf daraufhin. Die Gegend hier ist von Piraten verseucht. Der lachende Freibeuter soll der Schlimmste von allen sein. Kennt ihr ihn?“

„Gehört haben wir natürlich von ihm“ antwortete Curudor. „Aber er hält sich fern von hier. Und damit das so bleibt, wollen wir hier keine fremden Schiffe.“
„Aber vielleicht können wir ja doch ins Geschäft kommen. Ihr habt mit Sicherheit Bedürfnisse die der karge Boden hier nicht erfüllen kann. Warum sollten wir die nicht erfüllen. Und ihr gebt uns im Gegenzug etwas mit dem wir andernorts handeln können“, trieb Yusuf freudig das Gespräch voran, „diese hübschen Schnitzarbeiten zum Beispiel die hier in eurem Laden überall ausliegen. Aus welchem Material ist der Schmuck?“
„Aus Fischknochen. Doch genug davon. Wenn wir etwas brauchen, ergänzen wir es in Sook Oda.“
„Nun gut“, meinte der Corsar abschließend. „Habt Dank für eure Gastfreudschaft. Ich denke dennoch wir sehen uns wieder.“
Kurze Zeit später verließ die Gilwen Caras Tolfalas mit Kurs auf Sook Oda, den Ort in dem sie angeblich mehr über den Lachenden Freibeuter erfahren konnten; wenn Surions Informanten Recht hatten.

Sook Oda, eine kleine Hafenstadt an der Mündung des Ethir Harnen, des Flusses der die Wüsten Harads durchzieht. Am frühen Nachmittag fuhr die „Gilwen“ in den Hafen ein.
Sook Oda ist, obwohl schon in Harad gelegen, eine typische Grenzstadt, in der sich gondorianische und haradische Einflüsse mischen. Der vielleicht zweitausend Seelen große Marktflecken ist ein lebhafter Ort, der vom Fischfang und vom Handel lebt. Im Nordosten der Stadt liegen auf einer Erhöhung hinter eigenen Palisaden ein paar größere Häuser. Aber das Leben scheint sich in der „Unterstadt“ abzuspielen. Direkt am kleinen Hafen steht ein großes teilweise offenes Lagerhaus in dem geschäftiges Treiben herrscht. Auch im kleineren Gebäude der Handwerksgilden gehen die Arbeiter ein und aus. Regelmäßige Trupps der Wache sorgen für Ruhe und Ordnung.
Nachdem die „Gilwen“ am Pier festgemacht hatte, gingen Sibroc, Kalidor, Tarthalion, Wino und der neu gewonnene Freund Darl, ein reiselustiger Zwerg, der das Wasser nicht fürchtet, an Land. Der Magier erkundigte sich nach einer guten Möglichkeit ein zukehren und sich ein wenig auszuruhen. Ein Lagerarbeiter empfahl ihm die „Nordmaid“, die rustikale gemütliche Gaststädte von Sakur do‘ Akil, ein paar Schritte östlich des Hafens.
Während die Freunde durch die Straßen Sook Odas gingen begegnete ihnen ein buntes Völkergemisch von Haradrim, Gondorianern, Corsaren und Schwarzen Numenorern. In diesen von Krieg bedrohten Zeiten ein seltener Anblick. Die „Nordmaid“ ist ein altes im gondorianischen Stil erbautes einstöckiges Haus. Als die Gruppe ins Innere trat fühlte sie sich gleich heimisch. Der Wirt, ein Corsar, eilte freundlich lächelnd auf die Abenteurer zu. „Willkommen in meinem gastlichen Haus. Nehmt Platz.“ forderte der Mittvierziger seine Gäste auf. Es war ruhig in der Schenke. Die Mittagszeit war gerade vorbei, aber der Geruch von warmen Essen lag noch in der Luft. Schon bald ließen sich die hungrigen Freunde die Speisen schmecken, genossen Wein und Bier. Nach dem Essen suchten sie das Gespräch mit dem Wirt, in der Hoffnung etwas mehr über die Piraten des Lachenden Freibeuters zu erfahren. Die kannte Sakur zwar nicht, aber er erzählte der Gruppe von Gedrons Männern die sich regelmäßig in Sook Oda amüsierten, was soviel hieß wie sich zu besaufen und Krawall und Schlägereien zu beginnen. Heute Mittag hatten sie sich seit langer Zeit einmal wieder in der „Nordmaid“ blicken lassen, sich dabei aber ein paar blutige Nasen geholt. Grinsend zeigte der Wirt auf zwei Männer neben der Tür, einen zwei Meter großen Hünen aus Rhovanion und einen drahtigen deutlich kleineren Haradan. „Hallan und Yud haben sie daran erinnert, das sie hier nichts zu suchen haben“
„Wer ist Gedron?“ wollte Sibroc wissen. „Er ist der Herr der Mondsteinfestung, einer alten numenorischen befestigten Burg, 20 Kilometer südlich von Sook Oda an der Handelsstraße nach Umbar“ erklärte Sakur. „Er kann hier scheinbar machen, was er will,“ ergänzt der Wirt. „Unser Hetmann Haruth do Ramam unternimmt nichts gegen ihn oder seine Männer.“
„Weißt Du, ob die Männer noch in der Stadt sind?“ fragte der Magier. „Keine Ahnung“ meinte Sakur. „Wenn sie noch hier sind, dann in den „Drei Diamanten“ ihrem Stammlokal. Falahs Haus der Freuden versteht die Männer offensichtlich zu bändigen.“
Die Gefährten beschlossen die Nacht an Land zu verbringen um sich noch ein bisschen um zuhören. Sie nahmen Zimmer in der „Nordmaid“. Anschließend gingen sie zu den „Drei Diamanten“…

Der Wüstendrache flog direkt auf uns zu. Der riesige Sand farbene Körper schoss direkt aus der Sonne auf uns herab. Ich hatte längst meine Armbrust gespannt um auf den Gegner anzulegen. Doch meine Hände begannen zu zittern. Eine unbeschreibliche Angst griff nach mir. Auch die anderen schienen sich nicht mehr rühren zu wollen. Wie konnten wir nur in diese Situation geraten. Wir suchten einen Piraten, nicht den Tod in Fängen dieses grausamen Monsters.
Es war ja schon einiges passiert, seit dem ich mich der Gruppe in Dol Amroth angeschlossen hatte. Ich hatte mich ihnen als Darl vorgestellt. Sie waren die einzigen die einen Khazad mit auf See nehmen wollten. Nirgends sonst konnte ich anheuern. Meinem Volk war das Meer zuwider. Aber ich hatte es schon immer gemocht. Ich fühlte mich wohl auf den Planken eines Schiffes. Unsere Reise führte uns durch die Bucht von Belfalas, immer auf der Suche nach dem Lachenden Freibeuter. Mit den Kriegern der Gruppe verstand ich mich schnell. Tarthalion, Menelcar und Kalidor hatten mich als einen der ihren anerkannt. Verstand ich doch augenscheinlich mit Axt und Armbrust umzugehen. Yusufs ausgelassene Heiterkeit ist mir etwas suspekt. Aber ich schätze sein sicheres Gespür für ein gutes Geschäft. Sibroc bleibt für mich undurchschaubar. Er scheint die Kunst der Magie zu beherrschen. Solchen Zauberern habe ich noch nie vertraut. Dann ist da noch Wino, der Noldor. Es fiel mir schwer ihn überhaupt zu akzeptieren. Mein Volk liegt schon so lange mit den Elben in Hader, das es für mich nur natürlich ist, ihn zu hassen. Doch er hat außerordentliche Fähigkeiten als Heiler. Vielleicht ist es mit den Elben wie mit dem Meer. Sie sind gar nicht so schlimm, wie immer gesagt wird. Mit den anderen hatte ich bisher nur wenig Kontakt.
Nun der Drache kam noch immer auf uns zu. Meine Hände wollten nicht aufhören zu zittern. Wir waren gestern erst in Sook Oda angekommen. Nachdem wir im Gasthaus „Nordmaid“ Zimmer genommen hatten; Sibroc hatte sich lange mit dem Wirt unterhalten; konnten wir die Spur des Piraten aufnehmen. Einige seiner Männer waren offenbar in der Stadt gewesen um sich zu amüsieren, erst in der „Nordmaid“, dann sind sie wohl weiter gezogen in die „Drei Diamanten“. Sie hatten also erst mächtig gebechert und wollten dann scheinbar noch den örtlichen Juwelier ausnehmen. Alle lachten als ich meine Theorie äußerte. Kurz darauf wußte ich auch warum. Die „Drei Diamanten“ war kein Schmuckgeschäft sondern ein menschliches Freudenhaus. Da war die Aufregung allerdings groß. Meine Freunde mussten schon lange keine Frau mehr gesehen haben. Nicht anders war das Lächeln auf ihren Gesichtern und ihre Nervosität und Aufregung zu erklären. Ich blieb ruhig. Mich stieß der süße Geruch verbrennender Kräuter und die verschwenderische Ausstattung des Raumes ab. Schon bald wurde klar, das wir auf der richtigen Spur waren. In einer der abgetrennten Privaträume brach ein Krawall los. Schnell kamen ein paar große Kerle, die die Ruhestörer vor die Tür setzten. Sie sahen aus, wie die Männer, die wir suchten. Dann war plötzlich auch Sibroc verschwunden. Als ich hinter den Piraten her wollte, hielt mich Kalidor zurück. „Wir warten hier, bis Sibroc wieder kommt“
Es dauerte lange bis der Zauberer zurück kam. Dann verließen wir endlich dieses Freudenhaus. Wieder draußen an der frischen Luft erzählte Sibroc: „Die beiden sind zu einem Mietstall gegangen, haben ihre Pferde geholt und die Stadt in Richtung Süden verlassen. Ich konnte Ihnen noch bis zur Küstenstraße folgen. Dann ließen sie ihre Pferde antraben und verschwanden im Mondlicht.“

Während Kalidor und Sibroc zum Mietstall gingen um Pferde für uns zu besorgen, gingen wir zurück in die „Nordmaid“. Am nächsten Morgen wollten wir die Verfolgung aufnehmen. Was auch nicht sonderlich schwer sein sollte, lag doch an dieser Küstenstraße lediglich die Mondsteinfestung, eine alte numenorianische Burganlage. Östlich von ihr begann bereits die Wüste. Nun standen wir also hier, einen Tag nachdem wir aufgebrochen waren und sahen dem Tod ins Auge. Unsere Pferde hatten es richtig gemacht. Sie waren abgehauen als sie den Drachen bemerkten. Aule sei Dank ohne unsere Ausrüstung, die wir gerade zur Rast abgepackt hatten.
Hier sollte also unser Leben enden. Langsam wurden meine Hände ruhiger. Doch ein sicherer Schuss war mir noch nicht möglich, als plötzlich eine Steinwand aus dem Boden vor uns aufschoss, die den Drachen zum Abdrehen zwang. Sibroc hatte also die Nerven behalten. Verdammt dieser Zauberer war gut. Ich machte einen halben Schritt zurück, ließ mich auf ein Knie fallen und zog die Armbrust etwas höher. Meine Hände waren ganz ruhig, die Angst völlig verschwunden, als der Bolzen dem Ungetüm entgegen flog. Gemeinsam mit Winos Pfeil, der ebenfalls aus seiner Starre erwacht war, traf das Geschoss den ungeschützten Bauch des Wüstendrachen. In der Luft wankend vollendete das Monster sein Flugmanöver, zog in einer Schleife über uns hinweg und schoss hinab in den Wüstensand.
Doch nur Sekunden später kam der Drache wieder auf uns zu. Er kroch schnell wie eine Schlange durch den Wüstensand. Ich ließ meine Armbrust fallen, löste die Axt von meinem Rücken und lief an der Mauer vorbei, einen Kampfschrei auf den Lippen, direkt auf das Ungetüm zu, das sich inzwischen auf seine Beine erhoben hatte. Tarthalion und Kalidor waren längst an mir vorbei, standen rechts und links neben dem Drachen und schlugen auf das Monster ein. Ich überholte Wino, der bereits wieder einen Pfeil auf die Bogensehne gelegt hatte und Sibroc, der etwas murmelte und mit den Händen gestikulierte. Ich lief weiter, direkt auf die breite ungeschützte Brust des Wüstendrachen zu. Bevor ich meine Axt mit aller Kraft in seinen Körper trieb, traf das Ungetüm auch noch ein Feuerstrahl. Dann brach der Wüstendrache, von meiner Streitaxt tödlich verwundet, über mir zusammen. Und wieder einmal dankte ich meinem Schöpfer, das er mich so kraftvoll und stark geschaffen hatte. Meine Freunde mussten mich zwar unter dem Monster hervor ziehen. Aber außer ein paar blauen Flecken hatte ich nichts abbekommen. Wir alle waren unversehrt. Nun brach sich die Freude Bahn. Wir hatten es tatsächlich geschafft, mit vereinten Kräften diesen Drachen zu töten; unser Leben, das bereits zu Ende schien, noch einmal zurück zu gewinnen.
Später, nachdem wir uns etwas ausgeruht hatten, gingen wir weiter die Straße entlang in Richtung Mondsteinfestung, die wir am Abend auch erreichten. Eine mächtige beeindruckende uralte Festung errichtet auf einem Felsen hoch über dem Meer. Wir brauchten lange, um eine Bestätigung für die Anwesenheit von Piraten zu finden. Aber schließlich entdeckten wir einen Belüftungsschacht in unmittelbarer Nähe der Burg aus dem Rauch aufstieg. Als wir die Küstenlinie von oben aus untersuchten, entdeckten wir den Eingang zu einer Grotte. Doch was war nun zu tun? Wie sollten wir den Lachenden Freibeuter in unsere Hände bekommen?

Schnell hatte es sich in Sook Oda herumgesprochen. Die Pferde waren allein zurückgekommen. Was aus meinen Gefährten geworden war, wußte niemand. Unser Schiff, die Gilwen, lag zum Auslaufen bereit im Hafen. Nichts ist langweiliger als ein vor Anker liegendes Schiff. Ich hatte also nichts zu tun, nahm die Pferde und folgte der Spur meiner Freunde.
Was war ihnen zugestoßen? Der Gedanke ließ mir keine Ruhe. Auch wenn ich auf dem Rücken eines Pferdes nicht wirklich zu Hause bin, meine Heimat ist das Meer, kam ich doch gut voran. Als ich die Überreste des Drachens erblickte, machte ich mir ernsthaft Sorgen. Doch ihnen schien nichts passiert zu sein. Ich fand ihre Spuren. Sie folgten weiterhin der Küstenstraße in Richtung Mondsteinfestung. Im Morgengrauen erreichte ich die Burg. Die Pferde band ich in einem kleinen Wäldchen an. Kurze Zeit später entdeckte ich Kalidor, Tarthalion, Sibroc, Wino und Darl in der Nähe der Steilküste.
„Yusuf, wo kommst Du denn her?“ entfuhr es überrascht Winos Mund. „Ich habe mir Gedanken gemacht als die Pferde ohne euch zurück kamen,“ erwiderte Yusuf. „Und habt ihr eine Spur vom Lachenden Freibeuter gefunden?“ fragte der Corsar. „Nicht direkt“, nahm Kalidor das Wort. „Wir haben wahrscheinlich den Eingang einer Grotte gefunden und einen Lüftungsschacht aus dem Rauch aufsteigt. Wir sehen aber bisher keine Möglichkeit unsere Vermutungen zu bestätigen. Wir sind noch nicht einmal sicher, ob die Festung ein Teil des Piratennestes ist.“
„Vielleicht gibt es noch einen Eingang zur Grotte oder einen Weg hinunter zur Küste.“ versuchte ich etwas Optimismus zu verbreiten. Wir nutzten den aufziehenden Morgen um weiter zu suchen. Wir näherten uns dem Wäldchen in dem ich die Pferde abgestellt hatte. Die Bäume verbargen eine Gruppe von Felsen. Hier entdeckten wir den verborgenen Zugang zu einer kleinen Höhle. Ich entzündete meine Öllampe. Wir traten ins Dunkel, zogen die Tür hinter uns zu. Doch die Höhle hatte keinen Ausgang. Sie schien lediglich als Versteck zu dienen. Bis Kalidor plötzlich meinte: „Ich habe etwas gefunden.“ Er hatte tatsächlich eine Geheimtür entdeckt. Links neben der Tür gab ein Handteller großes Stück der Wand nach. Ein leichtes Drehen und die Tür sprang auf. Als Kalidor die Tür ganz aufgezogen hatte, konnten wir das Salzwasser förmlich schmecken. Wir schienen auf dem richtigen Weg zu sein. Der Gang dahinter fiel stetig zum Meer hin ab. Kalidor ging vor. Ich folgte ihm mit der Öllampe. Tarthalion, Sibroc, Wino und Darl schlossen sich an.
Der Tunnel schien nicht enden zu wollen. Plötzlich hörte die Abwärtsbewegung auf. Der Gang verlief weiter parallel zum Meeresspiegel und endete abrupt vor einer alten Eisen beschlagenen Tür. Die Feuchtigkeit hatte das Eisen rosten lassen. Auch der Boden war rutschiger geworden. Ich warf einen Blick auf das Türschloss. Der Schlüssel war darin abgebrochen worden. Mist, das würde Zeit in Anspruch nehmen; vorausgesetzt ich würde etwas finden, womit ich den Rest des Schlüssels drehen konnte. Kalidor half mir mit dem Verschluss seines Umhangs aus. Kein einfaches Unterfangen. Doch nach einer halben Stunde hatte ich es schließlich geschafft. Das Schloss sprang auf.
Kalidor drückte die Tür einen Spalt breit nach außen auf. Intensiver Meeresgeruch strömte uns entgegen. Natürliches Licht erhellte den Gang. Der Söldner wagte sich etwas weiter vor. Ein Blick nach links offenbarte eine scheinbar riesige Höhle die nur schwach erleuchtet schien. Niemand schien den Gang zu kennen durch den wir hier her gelangt waren.
Wir ließen den größten Teil unserer Ausrüstung im Tunnel zurück, gingen hinaus und wandten uns dem Sonnenlicht zu. Nach wenigen Schritten standen wir am Rande einer riesigen Grotte. Das Meer brandete gegen einen aus dem Stein geschlagenen Pier. Hier gab es genug Platz um beide Piratenschiffe zu verstecken. Die kleinere Buchtadler und die Kriegsgaleere Meister Seewolf. Doch die Schiffe waren nicht da, die Grotte menschenleer. Wir hatten Glück die Piraten waren auf Kaperfahrt. Wir konnten uns in Ruhe umschauen.

Die große Höhle, die wie eine Verlängerung der Grotte erschien, war nur schwach durch Öllampen an den Wänden erleuchtet. Es war kaum etwas zu erkennen. Wir hörten leise Wasser rauschen, als wir uns nach rechts in die Dunkelheit bewegten…

…Ich mochte Erdlöcher nicht besonders egal wie groß sie waren; ob man sie Höhlen oder Grotten nannte. Einige meines Volkes hatten ich zwar daran gewöhnt, hatten sogar ihre Wohnungen unterirdisch gebaut, oftmals mit der Hilfe der unsäglichen Zwerge. Aber ich hatte nur das schöne Leben in Bruchtal kennen gelernt und vermisste meine Heimat gerade in solchen Situationen wie jetzt. „Träumst Du, Elb?!“ rissen mich Darls Worte in die Wirklichkeit zurück. „Nimm endlich deinen Dolch und komm mit Wino. Es wird interessant.“ Dann war der Zwerg auch schon in den Schatten verschwunden. Meine Hand schloss sich fester um die Waffe. Ich folgte den anderen so schnell ich konnte.
Das Plätschern von Wasser wurde lauter als wir tiefer in die Höhle eindrangen. Ein schmaler flacher Bach kam von Osten und verschwand hier in einem kleinen Durchlass der Wand. Ich erfrischte mich mit einem Schluck des kühlen Nass. Dann überquerte auch ich den Wasserlauf.
Die Gefährten standen bereits an einem breiten Durchgang im Süden. Alles blieb still, als wir in den kurzen Gang dahinter eindrangen der vor einer alten Eisen beschlagenen Holztür endete. Yusuf schien diesmal keine Probleme mit dem Schloss zu haben. Hinter der Tür verbarg sich ein Lagerraum voll gestopft mit Kisten, Fässern und Stoffballen. „Hier liegt ein schöner Gewinn für uns,“ meinte Yusuf leise nachdem er sich genauer umgesehen hatte. Ich schüttelte nur den Kopf. Gold schien das Einzige zu sein, was den Corsaren antrieb. Doch ich wußte es mittlerweile besser. Der Seemann hatte das Herz am rechten Fleck.
Ich zog die Tür hinter mir zu als ich den anderen folgte. Wir kamen jetzt offensichtlich in den zur Zeit bewohnten Teil der Höhle. Die Anzahl der Laternen an den Wänden nahm zu. Überall standen geöffnete Kisten und Fässer. Aber wir sahen immer noch niemanden. Jedoch drangen Gesprächsfetzen an unsere Ohren. Wir näherten uns einem Durchgang im Osten der Höhle. Die Gespräche würden lauter. Es schienen vier Personen zu sein, die sich unterhielten. Sie unterhielten sich auf Haradrisch wie Yusuf bemerkte. Er hörte auch einen gondorianischen Akzent heraus. Der Seemann erinnerte sich sofort an die alte Festungsstadt Caras Tolfalas auf dem Inselfelsen in der Bucht von Belfalas. Mir sagten die Worte nichts. Mich erschreckte eher der ekelhafte Geruch nach Fäkalien, Siechtum und Tod der uns aus dem Gang entgegen strömte. Hier starben langsam Menschen. Niemand schien das zu kümmern. Ein paar Schritte in den kurzen Gang offenbarten dahinter einen Raum der von vier großen Gefängniszellen eingenommen wurde. Es waren die Wachen die sich unterhielten; vier Männer, zwei Haradrim, ein Gondorianer und ein Corsar. Hinter den Gittern konnte ich nur Schatten und Schemen erkennen. Ich musste etwas tun. Hier starben langsam Menschen. Ich konnte ihnen vielleicht helfen. Den Dolch in der Hand ging ich auf die Zellen zu, als mich ein fester Griff an der Schulter packte. Ich drehte mich um. Meine harschen Worte schluckte ich herunter als ich in die entschlossenen Augen Kalidors blickte. „Später,“ kam es leise über seine Lippen. Ich ließ mich von ihm in die Höhle zurückziehen. Dann verschwand der Söldner wieder an der Spitze der Gruppe.
Wir fanden noch einen weiteren Zugang im Norden, eine verschlossene Tür von der wir annahmen, das sie einen Weg in die Mondsteinfestung verbarg. Wir zogen uns zur Tür des Geheimganges zurück.
Für mich war klar, was nun zu tun war. Wir mussten die Menschen aus den Zellen befreien und ihnen helfen. Weiter dachte ich nicht. Wie wir sie hier wegbringen sollten? Wann die Piraten zurück kamen? Ob wir zuerst die Festung in Augenschein nehmen sollten? Das waren alles Fragen mit denen ich mich nicht beschäftigte. Den Valar sei Dank machten sich Kalidor und Yusuf Gedanken. Sie kamen schließlich zu dem Entschluss, das wir weitere Informationen brauchten. Da waren die Wache nun einmal die erste und einzige Wahl.
Kurz darauf standen wir wieder im Zellentrakt. Der Plan war denkbar einfach. Der Gang vor den Zellen, an dessen südlichem Ende die Wachen um ein Feuer saßen, war schmal. Ein einzelner Mann konnte darin gut kämpfen. Aber zwei nebeneinander, das war unmöglich. Kalidor umfasste seine beiden Handäxte fester und ging voran. Tarthalion gab ihm mit dem Bogen Deckung; gleiches tat Yusuf mit seinen Wurfmessern. Wir standen am Eingang zur großen Höhle um eventuell heran eilende Verstärkung unter Beschuss zu nehmen.

Während ich mit Darl und Sibroc das Halbdunkel im Augen behielt, tobte hinter uns ein kurzer heftiger Kampf. Als es wieder ruhiger wurde, verließ ich meinen Posten und wollte mich meiner eigentlichen Aufgabe, der Befreiung und Heilung der Sklaven, zuwenden. Die beiden Haradrim lagen tot am Boden. Der Gondorianer hatte sich ergeben. Auch der Corsar hatte seine Waffe fallen lassen. Tarthalion hatte ihn böse erwischt. Ein Pfeil hatte seinen rechten Oberarm beinahe durchschlagen.
Während die anderen unsere Gefangenen bewachten ging Kalidor mit einem Schlüsselbund in der Hand zu den Zellen. Ich begleitete ihn. Er baute sich nacheinander vor jeder der vier Zellen auf. „Wir wollen euch helfen. Ihr müsst keine Angst haben,“ begann der Söldner seine kleine Rede. „Wino, unser Heiler, wird eure Wunden versorgen. Ihr könnt euch hier in der Höhle frei bewegen. Wascht euch im Bach. Nehmt euch Kleider aus der Lagerhöhle. Wir helfen jedem der sich nicht selber helfen kann. Wer sich kräftig genug fühlt und mit Waffen umzugehen versteht, meldet sich danach bei mir. Wir brauchen jede Hand im Kampf gegen die Piraten.“ Der Söldner gab mir den Schlüsselbund und verschwand am Ende des Ganges um die Gefangenen zu verhören, wie ich bald darauf aus dem Augenwinkel mitbekam.
Ich schloss die Zellen auf. Wer gehen konnte kam mir schon bald entgegen um sich zu erfrischen. Ich wollte mich zuerst um die kümmern, die noch in den Zellen lagen. Ich bat Sibroc und Darl um Hilfe. Sie holten Wasser, frische Kleidung und einfache Nahrung. Sie halfen mir Verbände anzulegen. Viele litten unter Husten, Gelbsucht, Fieber und anderen Mangelerscheinungen. Ich half so gut ich konnte. Wir errichteten Bettenlager außerhalb der verschmutzten Zellen. Meine Mittel waren zu beschränkt. Wir mussten die Menschen hier wegbringen.
Als Stunden später alle soweit versorgt waren, rief mich Kalidor zu sich. „Wie sieht es aus, Wino?“ wollte der Söldner wissen. „Wir haben 120 Sklaven befreit,“ begann ich zu sprechen. „10 hast du unter Waffen genommen. 25 brauchen mindestens einen Tag bis sie wieder laufen können. Der Rest ist in ein paar Stunden reisefertig. Meine Heilkräuter sind fast verbraucht. Ich brauche ein bisschen Ruhe um weiter helfen zu können,“ beendete ich meinen Bericht. „Danke,“ erwiderte Kalidor. „Leg dich schlafen. Wir wecken dich, wenn es nötig wird.“ Ich nickte und ließ die drei zurück. Sibroc und Darl versorgten die Kranken und Verletzten weiter mit dem Nötigsten.
Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, als Darl mich weckte. „Komm,“ meinte er nur. Ich fühlte mich besser. Die befreiten Sklaven schienen reisefertig zu sein. Sie hatten also einen Weg gefunden, sie hier heraus zu bringen. Kurz darauf erklärte mir Kalidor den Plan. „Sibroc und Ulbor, der gondorianische Wächter sind gestern nach Sook Oda geritten um die Gilwen zu holen,“ erklärte mir der Söldner. „Du, Darl und ich werden jetzt die Menschen durch den Geheimgang zu einem verborgenen Strand außerhalb der Sichtweite der Mondsteinfestung bringen. Morgen früh wird die Gilwen euch dort aufnehmen. Ihr segelt dann weiter nach Caras Tolfalas, ohne noch einmal in Sook Oda an zu landen. Ich kehre mit Ulbor hierher zurück. Dann kümmern wir uns um die Piraten,“ beendete Kalidor seine Ausführungen. „Wenn alles gut geht, folgen wir euch mit der Buchtadler in ein paar Tagen,“ fügte Yusuf noch hinzu. Dann brachen wir auf.
Der Marsch nahm fast den ganzen Tag in Anspruch. Wir mussten immer wieder Pausen einlegen um die Befreiten rasten zu lassen und sie zu versorgen. Doch wir erreichten den schmalen Strand mit Einbruch der Nacht. Als am nächsten Morgen die Gilwen kam, brachten wir die Menschen schnell an Bord. Ich reichte dem Söldner die Hand: „Pass auf dich auf Kalidor. Mögen die Valar euch beschützen und eure Arme stärker sein, als die unserer Feinde.“ Dann ließ auch ich mich hinüber zur Gilwen fahren. Kalidor und Ulbor liefen die Steilküste wieder hinauf. Mein Blick folgte ihnen bis sie zwischen den Felsen verschwanden…

…Nun stand ich endlich wieder als freier Mann am Steuer eines Schiffes. Die „Buchtadler“ segelte zügig an Sook Oda vorbei aufs offene Meer hinaus Richtung Caras Tolfalas. Vor fast einem Jahr hatte mich der Lachende Freibeuter gefangen, als er das Handelsschiff überfiel auf dem ich als Navigator angeheuert hatte. Meine erste Fahrt nach vier Jahren gondorianischer Kriegsmarine. Aber ich konnte mich nicht beklagen. Sie hatten mich das Steuermanns- und das Navigationspatent machen lassen. Aber dann hatte ich genug. Ich wollte mehr von der Welt sehen. Doch die Ruderbank machte mir einen Strich durch die Rechnung. Fast ein halbes Jahr quälten mich die Piraten, bis sie endlich erkannten, wo meine Stärken lagen. Auf meiner ersten Fahrt als Steuermann der „Meister Seewolf“ musste ich ja unbedingt gegen den Freibeuter auf begehren. Das brachte mir dann den Posten als Kerkerwache ein.
Plötzlich riss mich eine Stimme vom Bug des Schiffes aus meinen Gedanken. „Sind wir auf Kurs, Ulbor?“ fragte Yusuf. „Alles klar. Wenn der Wind uns weiterhin so gewogen ist, sind wir in zwei Tagen in Caras Tolfalas,“ antwortete ich dem Corsaren.
Da standen die drei Männer, die 160 Sklaven, Selnoi und mich befreit und Gedron, den Lachenden Freibeuter und seine rechte Hand Zokhad gefangen genommen hatten. Yusuf, Kalidor und Tarthalion blickten dem Horizont entgegen. Die anderen der Gruppe waren auf der „Gilwen“ mit den Sklaven schon voraus gefahren. Wir hatten die Piraten in der Grotte empfangen.
Als die „Buchtadler“ in den geheimen Hafen einlief und am Pier festmachte, waren die Vorbereitungen längst abgeschlossen. Der Entladeplatz für die „Meister Seewolf“ war zu einer kleinen Festung ausgebaut worden in der sich zehn befreite Sklaven, Yusuf, Kalidor und Tarthalion versteckten. Am Hebekrahn war ein großes Fass mit Öl befestigt und der Weg in die Festung war Öl durchtränkt. Nun lief auch die umbarische Kriegsgaleere ein.
Selnoi war bereits nach oben gelaufen um in den Stallungen Feuer zu legen. Meine Aufgabe war es, die Piraten auf die brennende Mondsteinfestung aufmerksam zu machen und weg zu locken bevor die Entladearbeiten beginnen konnten.
„Feuer, Feuer,“ rief ich den Piraten entgegen. „Schnell die Festung brennt!“ Es funktionierte. Die Männer beider Schiffe liefen an mir vorbei nach oben in die Burg. Ich schloss hinter ihnen die Tür, steckte dann denn Boden in Brand. Hierher konnte niemand mehr zurück.
Inzwischen war Gedron auf die „Buchtadler“ gegangen um mit Zokhad zu beraten. Die Rudersklaven waren noch immer auf der „Meister Seewolf“. Nun begann der Kampf. Tarthalion und Kalidor rannten auf den Pier auf das kleine Schiff zu, gefolgt von unseren zehn Männern. Yusuf sprang ins Wasser und schwamm zur Galeere hinüber. Seine Aufgabe war es die Sklaven zu befreien, bevor das Schiff angesteckt werden sollte. Ich schloss mich der Gruppe um die beiden Kämpfer an. Es ging darum die „Buchtadler“ zu übernehmen, aus der Grotte zu fahren und die Sklaven der „Meister Seewolf“ aufzunehmen, während Kalidor und Tarthalion Gedron und Zokhad überwältigten.
Die beiden Kämpfer liefen über die Planke, bedrängten ihre Gegner hart. Wir anderen verteilten uns auf dem Schiff. Schon bald kamen die ersten befreiten Sklaven auf das Schiff zu geschwommen. Wir zogen sie an Bord während die „Buchtadler“ langsam Fahrt aufnahm.
Als wir die Grotte verließen waren Gedron und Zokhad überwältigt, Yusuf zurück an Bord und die letzten Sklaven in Sicherheit. Hinter uns sank langsam die brennende „Meister Seewolf“. Wir hatten sie im Vorbeifahren mit Öllampen beworfen.
Nun waren wir auf dem offenen Meer. Unser Ziel war erst einmal die alte Festungsstadt Caras Tolfalas. Dort wollten wir uns mit der „Gilwen“ treffen. Die ehemaligen Sklaven mussten in ihre Heimat zurückgebracht werden. Dann wollten wir weiter nach Dol Amroth um unsere Gefangenen auszuliefern.
Was würde uns diese Reise noch bringen? Ich hatte dank der Gefährten meine Freiheit zurückgewonnen, etwas Gold in der Tasche und die Aussicht auf eine gute Heuer. Was konnte man als Seemann mehr verlangen.

Der Ausguck hatte es uns bereits gemeldet. Nun konnte ich die „Buchtadler“ in den langen Fjord vor Caras Tolfalas einfahren sehen. Sie hatten es also geschafft, den Piraten zu entkommen. Hoffentlich konnten sie den Lachenden Freibeuter besiegen. Auf meinen Stab gestützt sah ich den Freunden entgegen.
Curudur und die Bevölkerung der Stadt hatten uns freundlich aufgenommen, als wir vor zwei Tagen mit der „Gilwen“ und den befreiten Sklaven ankamen. Nun dachten wir bereits über eine Lösung unserer Probleme nach. Die meisten Befreiten wollten in ihre Heimat zurück, einige gern in Caras bleiben und ein paar weiter für uns, für Menelcars Handelshaus, zur See fahren. Eine Besatzung für die „Buchtadler“ hatten wir also zusammen.
Endlich machte das Schiff am Pier fest. Kalidor, Yusuf und Tarthalion ließen die beiden Gefangenen auf die „Gilwen“ bringen, bevor sie mich begrüßten. „Schön dich zu sehen, Sibroc. Ist alles gut gegangen unterwegs?“, wollte Kalidor wissen. „Ja“, erwiderte ich, „es gab keine Probleme.“
Noch am selben Tag beschlossen wir wie es weiter gehen sollte. Am nächsten Tag sollte die „Buchtadler“ unter dem Kommando von Ulbor nach Pelargir auslaufen, um den Befreiten eine Möglichkeit zu bieten in ihre Heimat zu kommen. Dann würde Ulbor nach Dol Amroth kommen und weiter unter Menelcars Flagge fahren. Wir brachen ebenfalls am nächsten Morgen auf, mit den Gefangenen zurück nach Hause in die Weiße Stadt am Meer.
Freudig empfing man uns in Dol Amroth. Ohne großes Aufsehen brachte die Stadtwache Zokhad und den Gedron, den Lachenden Freibeuter in die Burg. Ihr weiteres Schicksal sollte vorerst vor uns verborgen bleiben. Das Kopfgeld drückte uns der Bürgermeister stillschweigend in die Hand; 100 Goldstücke für jeden, 50 vom Fürsten und 50 von den Händlern. Im Rathaus gab es drei Tage später einen kleinen Empfang. Das hatten wir ja schon einmal erlebt. Das Schreiben, das uns als Bürger Dol Amroths aus wies, wurde uns feierlich vom Bürgermeister und Surion, Imrahils rechte Hand, übergeben. Zu unserer Überraschung nahm uns Surion später zur Seite. Er überreichte uns die Besitzurkunde für das alte Jagdanwesen, das wir vor kurzem noch mühevoll von den Schatten befreit hatten; als zusätzliche Belohnung für unsere Dienste, die wir hoffentlich noch öfter in den Dienst der Stadt stellen würden. Er hatte sich sogar schon die Mühe gemacht das Anwesen aufzuräumen und den Wohnturm wieder her- und einzurichten. Alles andere legte er in unsere eigenen Hände. Da würde noch eine Menge Arbeit auf uns zukommen. Ich war zwar nicht wirklich glücklich über unseren Besitz. Aber es war doch schön irgendwo hin zugehören.
Auch die „Buchtadler“ kam einige Wochen später zurück. Dankbar trat Ulbor in Nahars Dienste. Menelcars Vater gab ihm das Kommando über das Schiff. Er ließ den gondorianischen Seemann das Kapitänspatent machen.
Wir alle genossen die ersten Wochen in der Stadt, trafen uns regelmäßig im neuen Hafen in unserem Stammlokal „Zur Krakenwacht“, besprachen dem Umbau unseres kleinen Anwesens und selbst Yusuf schien nicht den Wunsch zu verspüren, gleich wieder zur See zu fahren. Eine schöne Zeit nach all den Strapazen der letzten Wochen.
Ich verbrachte endlich wieder Zeit mit Büchern in Fanariels Haus, widmete mich ganz meiner Magie und verschwendete keinen Gedanken an die Zukunft oder die Abenteuer die uns vielleicht noch bevorstanden. Es war einfach schön wieder zu Hause zu sein.
Wir schrieben das Jahr 3014 des dritten Zeitalters. Ein milder August lag hinter uns. Ich blätterte die Seite meines Buches um, begann zu lesen und die Welt um mich her war vergessen.